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Best and Beyond: Daniel Humm - Eleven Madison Park

„Ich habe erst in den letzten zwei Jahren als Koch zu mir selbst gefunden.“

Das beste Restaurant der Welt hat kürzlich seine Pforten wiedereröffnet und bietet ein frisch verfeinertes Menü. Im letzten Teil der von Miele präsentierten Serie Best and Beyond erfahren wir, was Daniel Humm, den Schweizer Chefkoch und Mitinhaber des Restaurants, unaufhaltsam vorantreibt.

In seinem aufschlussreichen neuen Buch Eleven Madison Park: The Next Chapter wählt Daniel Humm das deutsche Wort „Leidenschaft“, um seine Beziehung zum Metier zu beschreiben. Natürlich geht es ihm um die begeisterte Hingabe im klassischen Sinne, doch auch der Wortteil „Leiden“ hat eine Bedeutung für ihn. „Wer wahre Leidenschaft für etwas verspürt, der muss sich fragen, ob er bereit ist, dafür zu leiden“, sagt er.

„Wer wahre Leidenschaft für etwas verspürt, der muss sich fragen, ob er bereit ist, dafür zu leiden.“

So wie andere, die in ihrer Branche ganz vorne liegen, hat auch der gebürtige Schweizer sich dem Leiden für seine Kunst verschrieben. Seine Leidenschaft bezieht sich nicht nur auf die Kochkunst, sondern auch auf die Erschaffung unvergesslicher, nahezu perfekter Erlebnisse für seine Gäste.

Im Vorwort eben dieses Buches beschreibt Will Guidara, sein Geschäftspartner und der Mitinhaber von Eleven Madison Park, ihn mit folgenden Worten: „Ja, er ist fokussiert und kompromisslos. Doch trotzdem ist er freundlich, sanft, warmherzig, fürsorglich und emotional.“ 

Diese Beschreibung verdeutlicht zweierlei Aspekte. Sie bestätigt einerseits die menschliche Seite von Humm: Er ist nicht nur zielstrebig, sondern auch einfühlsam und kreativ – er ist Künstler und Handwerker zugleich. Andererseits zeigen diese Worte die enge, persönliche Beziehung zwischen den beiden Männern. Eine wahre Rarität in der Gastronomie: Nur selten gibt es Unternehmen, die vom Chefkoch und Restaurateur gemeinsam betrieben werden und deren jeweiligen Domänen gleichauf sind, wenn es um Status und Entscheidungsfindung geht.

Eleven Madison Park ist bekannt dafür, ein eben solches Unternehmen zu sein, und erhielt 2017 dank diesem erfolgreichen Zusammenspiel die Auszeichnung als bestes Restaurant der Welt. “Wir geben unser Bestes, wenn wir einander wirklich herausfordern“, erklärt der 41-jährige Humm.

The newly refurbished dining room at Eleven Madison Park

New York als Ziel

Als Teenager wollte Humm im Radsport Karriere machen – einer Disziplin, für die man körperliche und mentale Ausdauer benötigt wie für sonst nur wenige andere – bevor eine Verletzung und eine schwere Trennung ihn stattdessen zur Gastronomie lockten.

Nach der Lehre in einigen der bekanntesten Küchen der Schweiz erhielt Humm mit 24 seinen ersten Michelin-Stern. Schon ein paar Jahre später fing er im Campton Place in San Francisco in den Staaten an, wo er sich schnell als eines der heißesten neuen Talente etablierte.

Der New Yorker Restaurateur Danny Meyer holte Humm 2006 als Küchenchef im Eleven Madison Park an die Ostküste und schon bald danach entwickelte sich die Partnerschaft mit Guidara. Im Jahr 2011 kauften die beiden Meyers Union Square Hospitality Group das Restaurant ab und genossen somit absolute Freiheit bei der Gestaltung ihrer Zukunft.

Humms Gerichte der letzten 11 Jahre in der Geschichte des Eleven Madison Park zeugen von einer faszinierenden Entwicklung. Als er in New York ankam, hatte er bereits seinen unverwechselbaren, neoklassizistischen Stil für sich entwickelt. Gerichte wie Bratente mit Honig und Lavendel wurden damals als seine Spezialitäten bekannt.

Reservierungen in dem großartigen Art-Deco-Esssaal im Met-Life-Gebäude in Manhattan erfreuten sich schnell immer mehr Beliebtheit. 2009 verlieh der Restaurantkritiker der New York Times, Frank Bruni, Eleven Madison Park zum ersten Mal seinen sagenhaften Status als 4-Sterne-Restaurant. Im Jahr darauf erschien das Restaurant zum ersten Mal auf der Liste der World's 50 Best Restaurants.

Zu diesem Zeitpunkt entschied sich das Duo, den Fokus des Restaurants auf seinen New Yorker Standort zu legen und die Einführung der Amerikaner-Kekse, des Long Island Clam Bake und des New Yorker Picknickkorbs folgte kurze Zeit später. Die Big Apple Story wurde einst zusammen mit einer Lektion in regionaler Geschichte und verschiedenen Inszenierungen am Tisch serviert, doch mittlerweile ist der Service weniger detailliert geplant und deutlich intuitiver.

Humm ist kein Koch oder Mensch für dramatische Innovation à la Ferran Adrià: Eine immerwährende Evolution und die Suche nach Perfektion liegen ihm mehr am Herzen. Doch seine zurückhaltende Küchenphilosophie lässt den Stern dieser Gastronomiegröße am Himmel der Kochkunst nicht weniger leuchten.

Duck with Rhubarb

Die Erschaffung einer neuen kulinarischen Sprache

Obwohl er bereits seit einem Vierteljahrhundert professionell am Herd steht, meint Daniel Humm, erst jetzt beruflich zur Reife zu kommen. „Ich habe erst in den letzten zwei Jahren als Koch zu mir selbst gefunden“, sagt er in seinem authentischen, sanften schweizerischen Akzent. Er beschreibt ein bestimmtes Gericht – Sellerieknolle mit schwarzen Trüffeln – als den Wendepunkt. Unter anderem, weil es aus nur zwei Zutaten besteht. Die Zubereitung in einer Schweineblase ist komplex und nuanciert, doch die endgültige Präsentation auf dem Teller kann nur als beinahe asketisch beschrieben werden.

„Ich wollte schon immer irgendwie „minimalistisch“ kochen, konnte es aber nie. Es war, als seien meine Gerichte unvollständig. Ich musste eine Beilage oder eine weitere Zutat oder Sauce hinzufügen, damit es sich abhebt. Als ich dieses Rezept zusammenstellte, wusste ich, dass es genau das war, wonach ich gesucht hatte“, erinnert er sich.

Seitdem besteht er darauf, dass alle neuen Kreationen des Restaurants auf vier Grundlagen beruhen: Köstlichkeit, Schönheit, Kreativität und Absicht. Diese Kombination mag zwar nicht nach sehr radikalen Kriterien klingen, doch die Suche nach dem richtigen Gleichgewicht aller vier Aspekte in jedem seiner Gerichte, hat Humms Ansatz von Grund auf verändert und zu wirklich herausragenden Ergebnissen geführt.

Die Präsentation der Gerichte auf dem Teller ist akribisch genau – so wie man es von einem Perfektionisten erwartet – doch sie ist auch unverkennbar minimalistisch. „Vor ein paar Jahren wollte ich, dass das Essen aussah, als wäre es von 20 Köchen zubereitet worden, aber heute sehe ich das anders.“ Der kreative Aspekt verlangt, dass jedes Gericht etwas Überraschendes bieten muss, eine unerwartete Kombination – „etwas, das zum Diskurs der Entwicklung der Kochkunst beiträgt.“

Mit „Absicht“ meint Humm, dass jedes Gericht einen Zweck oder eine Hintergrundgeschichte haben sollte. „Das kann so simpel sein, wie die Tatsache, dass zwei der Zutaten vom selben Bauernhof kommen, oder es kann eine Kindheitserinnerung sein. Aber irgendwie muss man erklären können, warum genau dieses Gericht existiert“, erläutert er.

Doch wenn das Essen keine wahre Gaumenfreude ist, ist der Koch genauso abschätzig wie es wohl auch Gäste im Restaurant wären. „Meine Rezepte sollen schön und kreativ sein, sie sollen mit Absicht kreiert werden, aber das darf niemals auf Kosten der Köstlichkeit passieren.“

Savory Black & White

Neue Gerichte für eine neue Ära

Nur einige Wochen, nachdem es als Nummer 1 in den World's 50 Restaurants aufgeführt wurde, schloss Eleven Madison Park im Sommer 2017 seine Pforten für eine umfangreiche Renovierung. Guidara hat nun ein neu renoviertes Restaurant, in dem sein Team eben diese besonderen Momente für seine Gäste erschaffen kann. Und Humm ist Chef seines individuellen Reiches, in dem sein Team ein minimalistisches Menü mit 8-10 Gängen vorbereitet.

Zu den neuen Gerichten gehören ein himmlischer Räucherstör-Käsekuchen mit Kaviar, ein ganzer, gerösteter Winterkürbis mit Speck- und Algenbrühe und ein Käse-Gang – Cheddar mit einer Brezel und Bier – der an wärmende Fondues in den Alpen, Arme Ritter und ikonisch amerikanische Snacks zugleich erinnert. Diese neuen Kreationen erscheinen neben verfeinerten Neuvariationen von Humms Klassikern, darunter Bratente und das revolutionäre Gericht mit Sellerieknolle.

Die Speisekarte scheint die höchste Ausdrucksform von Humm als Küchenchef und Eleven Madison Park als eines der hervorragendsten Restaurants dieser Ära zu sein. Als bestes Restaurant der Welt wird Eleven Madison Park mit diesen bahnbrechenden Neuinterpretationen die alten Grenzen der Gastronomie sprengen. Wer weiß, welche gastronomischen Höhenflüge das Restaurant noch erleben wird mit Humm und Guidara am Ruder.

Lesen Sie das komplette Interview auf der Website The World's 50 Best Restaurants.

 

Bilder: ©Gary He & ©Eleven Madison Park